„Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten“,
beteuert der DDR-Staatsratsvorsitzende Walter Ulbricht (1893-1973) am 15. Juni 1961 auf einer Pressekonferenz und beantwortet so die Frage einer westdeutschen Journalistin, ob künftig am Brandenburger Tor die Staatsgrenze zementiert werden solle. Zwei Monate später, am 13. August, beginnen DDR-Soldaten damit, die Grenze zwischen Ost- und West-Berlin abzuriegeln und Sperranlagen zu installieren. Ulbrichts berühmter Satz – eine der größten Lügen der Weltgeschichte.
16 Jahre später gibt die britische Rockband Pink Floyd das Abschlusskonzert ihrer Tournee zum Album „Animals“ im kanadischen Montreal. Bassist Roger Waters regt sich ziemlich auf über das schlechte Benehmen eines Fans in der ersten Reihe. Er tritt vor die Bühne, ruft ihn zu sich und spuckt ihm einfach ins Gesicht. Erschrocken über seine eigene Aggression kommt Waters auf die Idee, ein ganzes Album über die große Kluft zwischen Band und Fans zu machen. Über sein Gefühl der Isolation und eine mögliche Barriere in Richtung Publikum. Das Symbol dafür ist die Mauer – ein Sinnbild für die Bedeutungslosigkeit des Einzelnen, aber auch für autoritäre Macht.
Zwei Jahre später ist es soweit, Pink Floyd geht ins Studio und nimmt das berühmte Doppelalbum „The Wall“ auf.
Es erzählt die Geschichte des Jungen Pink, der sich gegen die Schule auflehnt und unbedingt Rockstar werden will. Für die spätere Single „Another Brick In The Wall“ engagieren die Musiker extra den Kinderchor einer Londoner Schule. Der Musiklehrer fühlt sich zunächst sehr geschmeichelt, dass seine Viertklässler den markanten Refrain singen dürfen: „Wir brauchen keine Bildung, Hey Lehrer, lass uns in Frieden, auch Du bist nur ein Stein in der Mauer!“ Doch dann beschwert sich die Schulaufsichtsbehörde darüber, dass ausgerechnet diese Schule ausgewählt wurde, ist sie doch für ihr schlechtes Bildungsniveau geradezu berüchtigt.
Deshalb bekommen die 23 Schüler auch keine Gage, die Schule aber eine Spende in Höhe von 1.000 Pfund. Die Single mit dem Schülerchor wird ein weltweiter Nummer-Eins-Hit und der bekannteste Pink-Floyd-Titel überhaupt. Nur in Südafrika wird die Hymne verboten, weil Schulkinder sie in den Townships als Protestlied anstimmen.
Das Doppelalbum mit der weißen Steinmauer auf dem Cover verkauft sich bis heute mehr als 30 Mio. Mal.
Dieser Erfolg führt dazu, dass Pink Floyd sogar in die Hall of Fame der amerikanischen Ziegelhändler aufgenommen wird. 1982 wird „The Wall“ sogar verfilmt – mit dem späteren Live Aid-Initiator Bob Geldof in der Hauptrolle.
Als die Berliner Mauer im November 1989 nach 28 Jahren tatsächlich fällt, kommt Roger Waters auf die Idee, „The Wall“ noch einmal an historischer Stätte aufzuführen. Er organisiert ein einmaliges Konzert auf dem Potsdamer Platz mitten in Berlin. Am 21. Juli 1990 erleben mehr als 200.000 Zuschauer noch einmal den Fall der Mauer und jede Menge Stars wie Bryan Adams, Joni Mitchell, Sinéad O’Connor oder die Scorpions. Den Riesenhit „Another Brick In The wall“ singt dabei das grelle Girlie Cyndi Lauper. Zehn Wochen später feiert ganz Deutschland – nicht nur vor dem Brandenburger Tor – die Wiedervereinigung.
Zum Anhören
Another Brick In The Wall
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