Inzwischen denkt er mit einem Lächeln an die Deutschland-Tour der Rolling Stones 1982. Der schlagerbehaftete Peter Maffay als Deutschlands kommerziell erfolgreichster Sänger nach der J. Geils Band direkt vor den Rolling Stones im Vorprogramm. In Hannover, zum Tourbeginn, stimmt Maffay als drittes Lied „Über Sieben Brücken“ an. Patsch fliegt das erste Ei und kurz darauf ein ganzer Gemüseladen aus dem Publikum hinterher. Doch Aufgeben war noch nie sein Ding. So auch damals. Augen zu und durch. Der Lohn, wenig später im Olympiastadion in München. Dort fordert das Publikum sogar eine Zugabe.
http://www.youtube.com/watch?v=MHr4yKrYNKQ
Rückblickend erklärt Maffay jetzt mit 60 Jahren Lebens- und 40 Jahren Bühnenerfahrung gegenüber LINEA FUTURA:
Maffay: „Ich glaube, ich hätte nicht funktionieren können, wenn ich damals nicht durchgehalten hätte. Es ist ein bisschen so wie bei einem Rennfahrer. Wenn der einen Unfall hat, sollte er möglichst bald wieder im Cockpit sitzen, um keine Angst davor zu entwickeln. Natürlich hat das am Anfang ein bisschen weh getan, dass es tatsächlich ein paar Leute gab, die uns nicht mochten. Richtig war ja, dass es ziemlich viele waren. Aber es war auch ein guter Ansatz, über sich nachzudenken und Erkenntnisse daraus zu ziehen.“
Wie sehen diese Erkenntnisse kurz gesagt aus?
Maffay: „Ich bin heute dankbar für diese Tomaten, die da geflogen sind. War nicht so verkehrt.“
Peter Maffay hat mehr als 40 Millionen Tonträger verkauft; einen kompletten Stilwandel vom Schlagerbarden zum Rockmusiker hinter sich. Seinen jetzigen Stellenwert hat er sich hart erarbeitet. Anfang der 80er ganz unten, steht er seit vielen Jahren ganz oben.
Doch das fordert auch einen Tribut, wie er gegenüber Linea Futura betont.
Maffay: „Meine Karriere ist ja eigentlich im Laufe der Zeit mehr und mehr verkommen zu einem Vehikel, um andere Dinge zu machen.“
Wie ist das zu verstehen?
Maffay: „Wenn ich sehe, wie viel Zeit einige meiner Kollegen haben, um Musik zu machen, da werde ich richtig neidisch. Wie gerne würde ich mich einfach mal zwei Wochen am Stück in die Musik vertiefen, an mir arbeiten. Schließlich ist es wichtig, wenn’s später im Wettstreit um die Charts geht. Auf der anderen Seite ist es toll, noch andere Sandkästen zu haben, in die ich reinhüpfen kann. Insofern ist Karriere einfach wichtig, denn wenn die Karre – sprich Karriere eben – nicht mehr wirklich rollt, dann laufen auch andere Dinge nicht richtig. Und darauf gilt es aufzupassen.“
Muss die Karriere, oder wie Du sagst – Karre – nicht einfach funktionieren?
Maffay: „Mein Laden muss funktionieren. Dass was wir an CDs herausbringen, muss funktionieren. Wenn ich auf die Bühne gehe, muss es funktionieren. Ich muss funktionieren, es geht nicht anders. Und wenn ich funktioniere, dann geht alles andere leicht.“
Das heißt?
Maffay: „Dann können wir in Rumänien eine Kirchenburg sanieren und daraus ein Heim machen, dann kann ich in Spanien die Tabaluga – Finka in Schuss halten. Wenn die Karre nicht geht, wenn niemand zu meinen Konzerten kommt und keiner meine CDs kauft, dann wird es sehr schwer.“
60 Jahre Peter Maffay, davon 40 Jahre auf der Bühne, das heißt ganz kurz in eigenen Worten?
Maffay: „Von Null auf Hundert in möglichst kurzer Zeit. Mein Leben ist ein D-Zug. Und Gott sei Dank sitzen in diesem Zug noch ein paar coole Typen.“
Peter Maffay ist inzwischen in vierter Ehe verheiratet und lebt mit seiner Frau Tania und seinem Sohn überwiegend auf einer Finka auf Mallorca.
Wie wichtig ist Dir heute Familie?
Maffay: „Sie ist wichtiger denn je, weil ich zu viele Menschen, die einmal zu meiner Familie gehört haben, verletzt habe. Irgendwann will man nicht wieder der Verursacher von Schmerzen dieser Art sein. Und irgendwie ist es frustrierend, dass man Fehler wiederholt. Oder dass man nicht in der Lage ist, diese Fehler zu vermeiden. Da kommt dann echt der Moment, wo Du Dir sagst – Mensch, jetzt bin ich 60 und mach den gleichen Scheiß schon wieder?“
Passiert es noch immer?
Maffay: „Ja, wenn auch etwas anders. Aber ich kenne das Gefühl, dass jemand vor Dir steht – mein Sohn ist jetzt sechs Jahre – wenn der vor mir steht und sagt: Papa, wo gehst Du jetzt schon wieder hin? Und ich ‚quetsche‘ mich raus und sage, ich muss arbeiten. In jeder Zweierbeziehung ist es nicht anders…das ist manchmal auch der Preis für das, was man alles initiiert.“
Jetzt hast Du, Peter Maffay, rund um Deinen 60. Geburtstag, den Du am 30. August gefeiert hast, deine Biographie mit dem Titel „Auf dem Weg zu mir“ herausgebracht. 416 Seiten stark mit über 300 Bildern drin. Es steht vom Geburtsort bis heute detailliert alles drin. Wie nackt hast Du Dich danach gefühlt?
Maffay: „Gar nicht. Wenn Du das Gefühl hast, da steht wirklich alles drin, dann täuschst Du Dich. Der Autor Edmund Hartsch hat ein tolles Buch geschrieben, viele Interviews mit mir und vielen anderen Leute rund um mich gemacht. Hat alles zusammengetragen, was in zwei Jahren Recherche für ihn machbar war und immer wieder mit mir gesprochen. Dabei dann auch immer wieder die Frage, was muss ich rauslassen? – Ich habe den Rotstift angesetzt und gesagt: darüber reden wir ganz bestimmt nicht. Der Rest aber gibt voll und ganz alles wieder – von meiner Kindheit in Rumänien bis heute. Dabei fühle ich mich nicht nackt. Natürlich gebe ich vieles preis, aber die Schlüssellochguckerei bis unter den Gürtel, die ist nicht drin. „
Hat es da nicht Momente gegeben, die einem längst vergessene Sachen wieder vor Augen geführt haben?
Maffay: „Das Buch ist eigentlich voll davon. Es ist das erste Mal in meinem Leben, dass ich in so gebündelter Form den ganzen D-Zug an mir vorbeirauschen sehe – und das ist witzig.“
Erschlägt einen so etwas nicht auch irgendwie?
Maffay: „Das ist ein Trip! Und das war eigentlich der Spaß für mich an diesem Buch. Dass ich eben einmal darin blättern und sagen kann: Scheiße, das war ja damals so und so.“
60 Jahre jung, sagt Raimund Bacher so leicht und meint es auch so, als er fragt: Peter, Hand auf’s Herz, fährt der D-Zug inzwischen etwas langsamer, oder wo ist die Triebfeder für das immer weiter, weiter, weiter?
Maffay: „Der D-Zug fährt nicht langsamer. Mich motiviert mein Umfeld unglaublich. Das Schicksal gibt uns eine gewisse Plattform. Sie ungenutzt zu lassen, halte ich für eine unheimliche Verschwendung. „
Das stimmt, aber?
Maffay: „Kein Aber! Die Plattform, die wir bekommen haben – Glück, Fügung, what ever – die ist so imens, reichhaltig und bietet so viele Möglichkeiten. Mir zum Beispiel läuft die Zeit weg. Ich habe das Gefühl, der Tag könnte ruhig ein paar Stunden mehr haben. Das ist manchmal ein bisschen belastend für das Umfeld. Andererseits entstehen da auch ein paar ganz gute Sachen.“
Peter Maffay – Deutschlands Erfolgsrocker. Mit 60 Jahren hautnah und aufgeknöpft im Interview. Gerade, unverbogen und ehrlich. Genau das macht ihn – neben seiner Musik – vielen Menschen noch sympathischer. Er ist ein Mann, der zu seinen Fehlern steht und nicht mehr groß drum herum redet. Er hat mit seinem ersten Konzert in Rostock noch vor dem Mauerfall Musikgeschichte in der DDR geschrieben und lässt seine Karriere jetzt auch in gedruckter Form nochmals Revue passieren.
Vielen Dank für das Interview lieber Peter. Bleib so wie Du bist. Wir wünschen Dir weiterhin viel Erfolg, Glück und Gesundheit… Text: Raimund Bacher
Unser Buch-Tipp
Edmund Hartsch
Maffay
Auf dem Weg zu mir
C. Bertelsmann
416 Seiten
€ 24,95
ISBN: 978-3-570-01029-7
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